Geschichte der Werkstatt
Im Jahre 1815 kam Carl Friedrich Leichsenring (1796 – 1852) aus Breitenbrunn im Erzgebirge als Berghäuer in den Seiffener Zinnbergbau, wurde später Doppelhäuer, dann Steiger und baute für die Familie in Seiffen aus Haldengestein ein Haus an der Binge.
Sein Sohn August Leichsenring (1832 – 1912) wurde mit 20 Jahren Drechsler und Spielzeugmacher. Neben sogenannten Fahrtieren stellte er auch Federhühnchen her. Diese besaßen Drahtbeine und einen Körper aus Teig, wurden bemalt und mit richtigen Federn beklebt. Und mit der Zeit entwickelte sich aus dem kleinen Bergarbeiterhaus das Haus der Spielzeugmacher, welches heute unter Denkmalschutz steht.
Emil Leichsenring (1880 – 1951) führte das Handwerk des Vaters weiter, meldete im Jahre 1904 das Gewerbe als Drechsler an und begann mit der Fertigung von Miniaturgespannen. Angeregt durch die in dieser Zeit aufblühende Automobilindustrie, produzierte er später auch detailgetreu Miniaturfahrzeuge aller Art.
Sein Sohn Erich Leichsenring (1904 – 1985) besuchte von 1918 bis 1921 die Staatliche Spielwarenfachschule in Seiffen und bezog das dort erlernte figürliche Gestalten in die Produktion ein, da mit den Fahrzeugminiaturen immer weniger Erlöse zu erzielen waren. Im Jahre 1930 wurde er Teilhaber und die Firma erhielt den Namen „Emil Leichsenring & Sohn“. Das heute bekannte Firmenlogo des Zwerges mit Ring entstand 1931 und wurde im selben Jahr als Warenzeichen angemeldet. 1935 legte Erich Leichsenring als einer der ersten Seiffener die Meisterprüfung als Drechsler ab und begann nun gezielt den Betrieb zu erweitern. 20 Beschäftigte arbeiteten bis zum Zweiten Weltkrieg an einem ganz umfangreichen Sortiment. Im Frühjahr begann die Osterhasenfertigung und im Sommer folgten Figurengruppen sowie figürliche Kompositionen mit zusätzlichen Gebrauchsfunktionen (z.B. Serviettenringe). Das anschließende Weihnachtssortiment bestand u.a. aus Engelkapellen, Engelchören mit Petrus an der Orgel, verschiedenen Lichthaltern, Krippen und den beliebten Steckkalendern zum Jahreswechsel. Der 1939er Katalog gibt darüber umfangreich Auskunft.
Während des Zweiten Weltkrieges erlosch die Produktion fast gänzlich durch Dienstverpflichtung der Arbeitskräfte in Rüstungsbetrieben und durch die Einberufung zum Kriegsdienst. 1940 wurde auch Erich Leichsenring einberufen und kehrte erst 1948 aus russischer Kriegsgfangenschaft heim. Sofort nahm er mit Frau, Schwester und Sohn unter sehr schwierigen Bedingungen und in bescheidenem Umfang die Arbeit wieder auf.
Neue Muster entstanden, z.B. das Motiv „Feierabend“, der Weihnachtsmarkt, die Waldleute, die Klöpplerinnen und die Spielzeugmacher. Auch die gerollten Blumen, bisher nur schmückendes Figurenbeiwerk, wurden nun zu eigenständigen Produkten, wie der „Blumenmarkt“. Zu den wohl gelungensten Entwürfen aus jener Zeit zählen die kleinen „Mettengänger“ mit ihren aufwändig bemalten Laternen.
1974 übernahm sein Sohn Günter Leichsenring (1931 – 2018) die Werkstatt. Er hatte von 1945 bis 1948 die Spielwarenfachschule besucht und 1952 die Meisterprüfung zum Spielzeugmacher bestanden. 1973 ausgezeichnet als „Anerkannter Kunsthandwerker“, beteiligte er sich mit Einzelanfertigungen an vielen repräsentativen Ausstellungen im In- und Ausland. Die Soldatenschere, der Wiegereiter, Bergmannspyramide, Blumenkugeln, Blumenarrangements und vieles mehr gehen auf seine Entwürfe zurück. Tatkräftige Unterstützung erhielt er von seiner Ehefrau Katharina, sie gab 1978 ihren Beruf als Lehrerin auf um in der Werkstatt mitarbeiten zu können.
Von Kind an war es für mich selbstverständlich, beruflich in die Fußstapfen meiner Vorfahren zu treten. Nach dem Abitur und einer Ausbildung zur Spielzeugmacherin konnte ich 1988 die Meisterprüfung ablegen. 1995 habe ich die Werkstatt von meinem Vater übernommen. Meine Eltern haben mich bis zu ihrem Tod unterstützt. Wir haben unser Sortiment jährlich erweitert, jedoch ohne unsere bewährte Handschrift zu verlieren. So konnten wir im Jahr 2000 die Auszeichnung „Tradition und Form“ für unsere „Mettengänger“ und 2004 für „Hervorragende Traditionspflege“ entgegennehmen.
In unserer von Handarbeit geprägten Werkstatt arbeite ich jetzt gemeinsam mit meinen beiden Mitarbeiter(innen). Der Tradition verpflichtet und trotzdem kreativ – so führen wir das Handwerk im Sinne meiner Vorfahren weiter.
Wir würden uns freuen, wenn Sie Gefallen an unseren kunsthandwerklichen Artikeln finden, gern können Sie uns auch in der Werkstatt über die Schulter schauen.
Falls Sie mehr über die Geschichte unserer Werkstatt erfahren möchten empfehle ich Ihnen das Buch „Vom Spielzeugmacher zum Kunsthandwerker“ von Ursula Michalke, erschienen 2018 im Husum – Verlag. Viele Bilder und Geschichten geben Einblick in das Leben meiner Vorfahren.
Mit einem herzlichen „Glück Auf“
Ihre Gitta Kreißl